Der risikofreudige Anleger
Der risikofreudige Anleger
Warum der Berater dennoch haftet.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem Anleger, der viel Geld verloren, aber doch gewonnen hat. Ursache war ein Investment, empfohlen (oder angeboten) von seinem Berater. Vorgesehen war, dass der Anleger ein Projekt in Form eines Darlehens finanziert. In den Anleger-Unterlagen war unter Bezugnahme auf die EU-Förderung von einer Kapitalanlage mit 100 % Kapitalsicherheit die Rede, was der Berater lediglich mit den Worten relativierte: „Was ist schon sicher – sicher ist, dass wir alle sterben.“ Die mangelnde Bonitätsprüfung des Darlehensempfängers verschwieg er allerdings. Es kam wie es kommen musste: Der Darlehensempfänger hat das Darlehen mangels Vermögen nicht zurückgezahlt, das Investment ist gescheitert. Als Folge hat der Anleger den Berater auf Schadenersatz geklagt. Der Anleger brachte im Gerichtsverfahren vor, dass er vom Berater grob fahrlässig unvollständig und unrichtig über das vermittelte Darlehen aufgeklärt worden wäre, zumal dieser weder den Nachweis über die verbindliche Zusage der EU‑Förderung noch die Bonität des Darlehensempfängers prüfte und gegenüber dem Anleger seine fehlenden Kenntnisse auch nicht offenlegte.
Dieses Verfahren mitsamt der letztlichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (GZ 6 Ob 28/15h) ist deshalb interessant, weil sich der Berater (hier Finanzdienstleister) auf eine geradezu typische Verteidigungsposition von Banken, Anlageberatern und Finanzdienstleistern berief: Einerseits habe er nicht empfohlen, sondern nur angeboten. Andererseits hätte der Anleger „umfassende Fachkenntnis“ und schon in der Vergangenheit mehrfach risikofreudige Investments getätigt.
Der OGH sah das anders. Erstens sei es für die Frage des Schadensersatzes unerheblich, ob der Berater eine Empfehlung ausspricht oder das Investment nur anbietet. Dem ist zuzustimmen, zumal es gerade das Wesen der Beratung ist, dem Anleger Informationen für eine vom Anleger zu treffenden Entscheidung zu erteilen. Zweitens müsse die Informationserteilung durch den Berater vollständig, richtig und rechtzeitig erfolgen und der Anleger in den Stand versetzt werden, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen.
Hat der Berater daher nicht alle für die Anlageentscheidung maßgeblichen Informationen erteilt, so ist der Anleger ‑ unabhängig von seiner Risikobereitschaft ‑ nicht in der Lage, das drohende Risiko umfänglich einzuschätzen, also die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen. Der Berater hat das Gerichtsverfahren verloren. Es ist anzunehmen, dass noch weitere Entscheidungen in dieser Richtung fallen werden.









